Côte d'Azur 2013

Als Abschluss der Binnenreise vom Ijsselmeer nach Port-Saint-Louis-du-Rhône im Frühsommer 2013 hatten wir unsere Bumble-Bee beim Port à sec "Navy Service" auf einem Landplatz abgestellt und sind zur Sommerpause nach Hause gefahren. Navy Service ist ein Trockenhafen, hier stehen alle Yachten an Land. Auf Anforderung werden die Boote ins Wasser oder aus dem Wasser gehoben. Das Navy Service Gelände liegt am Kanal Port-Saint-Louis außerhalb Stadt. Nun wollen wir nach Port-Saint-Louis-du-Rhône fahren und freuen uns auf die erste Mittelmeer-Tour. Im Vordergrund dieser Reise steht der Aufbau neuer Mittelmeer-Erfahrungen und weniger ein festes Reiseziel. So sind unsere Gezeiten-Erfahrungen aus dem Wattenmeer oder die Erfahrungen mit Wind und Flachwasserwellen des 3-4m flachem Ijsselmeer kaum übertragbar. Ansonsten haben wir sehr viele Fragen wie z. B.: welcher Wetterbericht ist gut und zuverlässig?, was bedeutet die Wind- oder Wellenvorhersage für unsere Bumble-Bee in der Praxis?, ist die Windvorhersage eher zu hoch gehalten und sind Böen eingerechnet oder wird lediglich der Grundwind vorhergesagt und Böen müssen addiert werden? Es gibt aber auch viele Fragen anderer Natur, z. B. wie gut kommt unser Bordhund Charlie mit Klima und Bordleben zurecht. Somit haben wir als einzige Planung den westlichen Abschnitt der Côte d'Azur als Reiseziel vorgesehen. Dauer und Wendepunkt sind offen und wir werden am Ende der Reise sehen, wie weit wir gekommen sind, wo es uns besonders gefallen hat und welche Abenteuer zu bestehen waren.

Freitag, der 6. September: Zu Hause ist alles erledigt

Unsere Bumble-Bee auf ihrem Landplatz

Haus- und Gartenpflege, Arztbesuche, Behördengänge und Briefwahl, es ist alles erledigt. Für die nächsten Wochen stehen keine Termine und Aufgaben an. Wir haben den schönen Sommer 2013 in unserem Haus und Garten ausgiebig genossen. Heute beendete um 5:30 Uhr der Wecker unsere Nacht, wir wollen mit dem Auto nach Port-Saint-Louis-du-Rhône fahren. Das Navigationssystem hat 1050 km mit einer Fahrtzeit von 10 Stunden berechnet. Heute ist ein heißer Spätsommertag, mit reichlich Pausen und ohne große Verkehrsstaus sollten wir nach 13-14 Stunden bequem ankommen. Bis Lyon hat ein spannendes Hörbuch für Kurzweil gesorgt. Obwohl sich die weitere Fahrt bei brütender Hitze wie zäher Gummi gezogen hat, haben wir unsere Bumble-Bee kurz nach 19 Uhr erreicht. Schnell eine Leiter zum hinaufsteigen gesucht und einen ersten Check gemacht. Es ist alles in Ordnung nur innen und außen ist das Boot entsetzlich verstaubt und es ist unter Deck unerträglich heiß.

Samstag, der 7. September: Unsere Bumble-Bee ist wieder im Wasser

Um 11:30 Uhr haben wir unseren Termin am Bootskran, da bleibt nach dem Frühstück nur noch Zeit für eine gründliche Reinigung innen und auf dem Deck. Der feine Staub erweist sich als sehr hartnäckig, außen müssen wir alles dreimal feucht putzen, bis es halbwegs sauber ist. So verging die Zeit bis zum Krantermin wie im Flug. Pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt wird unsere Bumble-Bee abgeholt und 30 Minuten später schwimmt sie in ihrem Element. Den Nachmittag nutzen wir für einen Großeinkauf, vom Abfallbeutel bis zum Zucker. Erleichtert wird der Einkauf durch unser Auto und wir verstauen größere Getränkemengen nach dem Einkauf im Boot.

Sonntag, der 7. September: Der Klimawechsel stellt sich ein

Gestern hatten wir nach unserem Krantermin an einem der wenigen Warteplätze an der Navy Service Kaimauer angelegt. Wie an den Tagen zuvor ist es heute leicht bewölkt mit Nordwind. Das behagliche Sommerwetter und das leicht schaukelnde Boot ist ausgesprochen einlullend und wir verdösen den ganzen Tag an Bord. Morgen wollen wir uns um unseren Mast kümmern, der nach seinem Lkw-Transport noch im Mastlager des benachbarten Port Napoléon liegt. Unsere Bumble-Bee soll so schnell wie möglich wieder zur vollständigen Segelyacht werden.

Dienstag, der 10. September: Aus Langeweile zum Port Napoléon gefahren

Kanal Port-Saint-Louis

Beim gestrigen Besuch im Port Napoléon haben wir erfahren, dass sie unseren Mast erst Donnerstag oder Freitag aufstellen und ausrichten können. Die Mitarbeiter sind derzeit stark ausgelastet. Ferner hat sich ein böiger Mistral eingestellt und mit dem Maststellen will man auf etwas weniger Wind warten. Um nicht ausschließlich passiv zu warten, sind wir am Nachmittag unter Motor die kurze Strecke von 5 Seemeilen zum Port Napoléon gefahren.

Freitag, der 13. September: Der Mast steht

Port Napoléon

Vergangene Nacht hat der Mistral nachgelassen und heute sind wir das dritte Boot am Mastkran. Augenscheinlich gibt es bei dem Zweimaster vor uns viele Probleme und es wird bis zum Abend an dessen Masten gearbeitet. Was würde man auch an einem Freitag den 13ten sonst erwarten. Jedenfalls hat das Datum bei dem Zweimaster stärker zugelangt als bei uns, wir werden nur für das Mastausrichten und anschlagen der Segel auf Samstag Vormittag vertröstet.

Samstag, der 14. September: Hurra wir segeln!

Gelante Route im Golfe de Fos

Um 10 Uhr steht unser Mast perfekt ausgerichtet und die Segel sind angeschlagen, wir können endlich zur ersten Mittelmeer-Reise starten. Nachdem alles bezahlt ist, legen wir ab. Zuerst geht es unter Motor hinaus auf den Golfe de Fos. Hinter den letzten Tonnen des Hafenfahrwassers erfolgt das lange vermisste Manöver: "Segel setzen und Motor aus". Leider ist nach dem Mistral der vergangenen Tage der Wind recht schwach und wir dümpeln mit 2 Knoten Fahrt über den Golf. Nach 90 Minuten reicht uns die segelnde Schleichfahrt und wir starten unseren Volvo Diesel. Mit jeder Seemeile, die wir uns dem Cap Couronne nähern legt der Wind ein wenig zu und nach 30 Minuten Motorfahrt setzen wir erneut die Segel. Ja das ist es, mit über 6 Knoten Fahrt geht es weiter die Küste entlang. Das Segel-Vergnügen ist leider nur von sehr kurzer Dauer, in der Höhe von Carro nimmt der schöne Segelwind wieder ab und wir beschließen die Fahrt im Hafen von Carro zu beenden. Vom Wasser aus ist Carro leicht an dem großen Wohnmobilstellplatz zu erkennen. Wie am Mittelmeer üblich, wollen wir mit dem Heck zur Hafenmole anlegen. Sofort kommen andere Segler angelaufen und warnen: "Das Wasser sei vor der Mole untief. Wir sollten besser mit dem Bug zur Mole anlegen". In der Tat, nach dem Anlegen zeigt der Tiefenmesser in 2 Meter Abstand vor der Mole knappe 1,70 m Wassertiefe. Mit dem Heck zur Mole könnte bei hohen Wellen unser Ruderblatt den Grund berühren.

Sonntag, der 15. September: Der Mistral ist zurück

Im Hafen von Carro

Wie im Wetterbericht der vergangenen Tage vorhersagt, hatte sich ein neues Tiefdruckgebiet über Norditalien aufgebaut. Im Zusammenspiel mit einem seit Wochen stabilem Hochdruckgebiet über der Biskaya, bildet es eine neue Mistral Wetterlage. Der Wind heult und singt um die Masten und unsere Bumble-Bee schaukelt kräftig in ihren Festmachern. An eine Weiterfahrt wollen wir erst gar nicht denken und bleiben einen zweiten Tag in Carro. Es ist ein charmanter kleiner Ort mit wenigen Ferienunterkünften und noch nicht vom Tourismus überrannt. Carro hat teilweise den Charakter eines kleinen Fischerdorfes beibehalten. Mittelpunkt ist ein zentraler Fischerhafen, der auch wenige Transit-Yacht aufnehmen kann. Der Ort verfügt über einige Geschäfte und Restaurants und täglich findet am Hafen ein Fischmarkt statt. Für das Abendessen vor die schwere Wahl gestellt, frischen Fisch selber zubereiten oder Restaurant, entscheiden wir uns für das Restaurant. Auf dem Seefunkkanal 80 werden stündlich Sturmwarnungen in Französisch gesendet. Mit jeder Wiederholung durchschauen wir etwas mehr von der Meldung und am Nachmittag verstehen wir die Prophezeiung einer unruhigen Nacht mit Windstärke 7-8.

 

Montag, der 16. September: Erstmals rückwärts am Muringplatz angelegt

Nach der unruhigen Nacht hat am Morgen der Mistral nachgelassen und wir können eine Etappe weiter fahren. Für heute ist bei Météo-France nur von Nordwestwind der Stärke 4-6 die Rede, aber morgen soll der Mistral wieder stärker werden. Als Tagesziel haben wir uns die Iles du Frioul vor Marseille vorgenommen. Nachdem wir den Hafen von Carro verlassen und 1/2 Seemeile auf das Meer hinausgefahren sind, setzen wir unsere Genua und gehen auf Ostkurs. Mit leichtem Rückenwind geht es mit 5-6kn Fahrt unserem Ziel entgegen. Im Hafen von Frioul legen wir zum ersten mal in unserem Seglerdasein rückwärts am Muringplatz an. Die Besatzung eines Nachbarbootes nimmt die Heckleinen entgegen und wir liegen kurz darauf fest an unserem Platz. Mit dem Boot auf diese Art anzulegen sind wir vom Ijsselmeer nicht gewohnt. Am Ijsselmeer liegt man in der Regel mit dem Bug zum Steg. Die Burgleinen werden am Steg belegt und für die Heckleinen sind zwei Pfähle in den Untergrund gerammt. Der Muringplatz ist im Mittelmeer üblich, man liegt normalerweise mit dem Heck zum Steg. Für den Bug gibt es eine Muringleine, die vor dem Liegeplatz fest im Untergrund des Hafenbeckens fixiert ist. Die Iles du Frioul besteht eigentlich aus zwei Inseln, die mit einem Damm verbunden sind. Früher war Frioul der militärische Vorposten vom Marseille, heute ist sie ein Naturschutzgebiet und eine beliebte Naherholung für die Bürger von Marseille. Auf einer benachbarten Insel mit einem mächtigen Château ließ Alexandre Dumas den Grafen von Monte Christo einsitzen. Den Nachmittag verbringen wir mit einer ausgedehnten Wanderung auf der Insel.

Dienstag, der 17. September: „Fortes rafales“

Wie vorhergesagt hat über Nacht der Mistral kräftig zugenommen. Um 2 Uhr werden wir von den Böen so stark geschaukelt, dass ich aufstehe und sicherheitshalber einen Rundgang auf dem Deck mache. Nachdem ich alle Leinen noch einmal kräftig angezogen habe, sind die Bewegungen unserer Bumble-Bee etwas gedämpfter. Die weitere Nacht bleibt unruhig und kurz vor 8 Uhr werden wir erneut aus dem Schlaf gerissen. Wir wollten eigentlich heute Marseille besichtigen. Wie die benachbarten Yachtbesatzungen spannen wir stattdessen zusätzliche Festmacher vom Boot zur Mole. Der heutige Wetterbericht verkündet Mistral mit Wind der Stärke 7-8 aus Nordwest und "Fortes rafales" (Sturmböen).

Alexandre Dumas ließ den Grafen von Monte Christo hier einsitzen

Die "Fortes rafales" treffen auf unsere Backbord-Seite und kippen unser Boot jedesmal kräftig zur Seite.Die Kränkung ist so saftig, dass wir zum Kochen die kardanische Aufhängung vom Herd entriegeln müssen. Damit kann er frei schwingen und die Töpfe rutschen nicht ständig hin und her. Bei diesen Böen wollen wir unsere Bumble-Bee nicht unbewacht liegen lassen und verschieben die Marseille Besichtigung auf einen der nächsten Tage. Am Nachmittag unternehmen wir eine zweite Wanderung und genießen die schönen Ausblicke auf das Meer.

Mittwoch, der 18. September: Rundgang in Marseille

Für heute verkündet der Seewetterbericht von Météo France "steifer Wind" von 7 Beaufort mit Böen, das fühlt sich sehr viel sanfter als gestern an und wir wollen heute Marseille erkunden. Von der Iles du Frioul pendelt ein Schnellboot nach Marseille und legt direkt im Stadtzentrum an.

Um 10 Uhr brechen wir auf und nach 25 Minuten Fahrtzeit stehen wir im quirligen Zentrum. Ohne festes Ziel beginnen wir unseren Rundgang. An jeder Weggabelung schauen wir uns um und wählen die bunteste und belebteste Straße. So wundert es nicht, dass wir uns nach kurzer Zeit im arabischen Viertel befinden. Der verlockenden Auslage eines arabischen Cafés können wir nicht widerstehen und kaufen zum zweiten Frühstück von dem Gebäck. An einem nahe gelegenen Brunnen mit windstillen und schattigen Plätzen probieren wir die optische Verlockung. Oh-man wie machen die denn das bloß, ein Löffel Honig oder reiner Zucker ist bei Weitem nicht so süß. Ohne eine Möglichkeit sofort die Zähne zu putzen, sieht man vom geistigen Auge seinen Zahnarzt die Folterinstrumente sortieren. Kalorienreich gestärkt setzen wir den Rundgang fort, diesmal etwas gezielter nach Stadtplan und Führer. Vom alten Hafen Vieux Port gehen wir zuerst in nordöstliche Richtung zur vormaligen Prachtstraße La Canebière. Der Straßenname bezieht sich auf den ehemaligen Handel mit Hanf. Die Canebière wurde früher oft mit der Pariser Avenue "Champs-Élysées" verglichen, durch die Zunahme des Straßenverkehrs ist sie eine stark befahrene Straße mit teilweise verfallenden oder vernachlässigten Fassaden. Von der Canebière ernüchtert gehen wir zum Quartier du Panier. Es ist der Ort der ersten Besiedelung Marseilles. Hinter dem barocken Hôtel de ville, beginnt der verhältnismäßig unberührte alte Kern Marseilles. Die Grundrisse der Straßen und Treppen entsprechen zum großen Teil der griechischen Zeit, neue Häuser wurden auf den Grundstücken und Mauern der alten Häuser erbaut. Die heutigen Häuser stammen überwiegend aus dem 18. Jahrhundert. Nach dem Quartier du Panier beenden wir den Rundgang an der im neobyzantinischen Stil erbauten Cathédrale de la Major. Mit lahmen Beinen schlendern wir gemeinsam mit unserem müden Bordhund Charlie entlang des "Quai du Port" zurück zum Fähranleger.

Die Rückfahrt beendet den Ausflug mit einem besonderen Highlight. Am Mittag hat der Mistral die angekündigte Stärke erreicht und von der Gischt eingehüllt peitscht die Fähre in voller Fahrt über die 1-2 Meter hohen Wellen. Die Peinlichkeit des Tages war eine Reisegruppe älterer deutscher Touristen. Als der Eingang zur Fähre geöffnet wurde, stürmten sie von hinten kommend mit quetschen und drängen als erste auf das offene Oberdeck. Als dann die Fähre in der Gischt eingehüllt über die Wellen donnerte, kamen sie dann genauso schnell wieder hinab und fanden leise fluchend und grummelnd nur noch wenige freie B-Plätze im Innern der Fähre. Mit einem schadenfrohen Grinsen haben wir die Fahrt auf unseren trockenen Plätzen im offenen Heck genossen.

Donnerstag, der 19. September: Salzwasser-Dusche im Cockpit

Wind von 8 bis 9 Beaufort plus "Fortes rafales"

Nach einer relativ ruhigen Nacht hat in den frühen Morgenstunden der Mistral erneut zugelegt und wir werden von den Sturmböen kräftig geschaukelt und geweckt. Météo France verkündet Wind von 8 bis 9 Beaufort plus "Fortes rafales". Beim Frühstück lernen wir eindrucksvoll den Unterschied zwischen "Fortes rafales" (Sturmböen) und nur "rafales" wie am Vortag kennen. Bei Sturmböen rutschen beim Frühstück Teller, Tassen und Gläser über den Tisch und zum Kaffee kochen müssen wir die kardanische Aufhängung vom Herd entriegeln. Zur Mittagszeit erleben wir die für uns stärksten Sturmböen, selbst am Ijsselmeer hatten wir solche Böen noch nicht erlebt. Die Gischt wird über den rückwärtigen, fast 8 Meter hohen Damm geblasen und im Cockpit gibt es eine permanente Salzwasser-Dusche.

Freitag, der 20. September: Hoffentlich haben wir nun eine längere Phase ohne Mistral

Wie in der GRIB-Windprognose der letzten Tage angezeigt, ist seit gestern Nachmittag der Mistral kontinuierlich schwächer geworden. Beim Frühstück war es heute teilweise windstill und wir wollen weiterfahren. Um 9:30 haben wir abgelegt und den Kurs auf das 20 Seemeilen entfernte La Ciotat gesetzt. Als wir aus dem Wellenschatten der Iles du Frioul fahren werden wir von der Altdünung des vergangenen Mistrals erfasst. Das klang im morgendlichen Seewetterbericht mit "MER peu agitée à agitée" (wörtlich übersetzt: See wenig unruhig bis unruhig) nicht so schlimm. Nach dem Anlegen haben wir in der Übersetzung für den Seegang nachgeschaut und erkannt, das "peu agitée" Seegang der Stufe 3 mit einer Wellenhöhe von 0,75 bis 2 Meter und "agitée" Seegang der Stufe 4 mit Wellen von 2 bis 4 Meter bedeutet. Zur Entschädigung für das Schaukeln über die unter uns durchlaufenden Wellen hatten wir beim Cap Croisette und beim Umfahren der Ile Maire Wind und Wellen optimal. Mit achterlichem Wind sind wir mit maximaler Geschwindigkeit die Wellen hinauf gebraust, um sie anschließend noch schneller hinab zu surfen. Bei normaler Fahrt durch das Wasser kann ein Schiff nur so schnell fahren wie sich seine Bug- und Heckwelle ausbreiten können, unsere maximale Geschwindigkeit liegt bei 7,5 Knoten (ca. 14 km/h). Schneller geht es, wenn das Schiff auf seine Bugwelle aufgleitet. Motorboote erreichen das durch starke Motoren und einem hohen Energieeinsatz. Eine normale Segelyacht kann das beim hinunterrutschen eines Wellenberges kurzfristig erreichen. Leider war das Vergnügen nur von kurzer Dauer und im Windschatten der Steilküste wurde der Wind abrupt schwächer. Als uns nur noch ein achterlicher Wind von 6 bis 7 Knoten schob, haben wir die Segel geborgen und die Fahrt unter Motor fortgesetzt.

Europas höchste Steilküste

Vorbei an Europas höchster Steilküste und dem adlerkopfartigen Cap de l' Aigl haben wir die Etappe im Hafen von La Ciotat, Bassin Bérouard beendet. Der wichtigste Aktionspunkt für La Ciotat war ein Großeinkauf. Nach den Mistral-Pausen in Carro und auf der Iles du Frioul, waren fast alle Vorräte aufgebraucht. Die Kühlbox beinhaltet außer kalter Luft nur noch etwas Butter, Senf und Sprudelwasser. Ohne Anlegebier ist das Segeln wie kalter Kaffee, vielleicht mit der Ausnahme des surfens über eine Altdünung.

 

Samstag, der 21. September: Badetag in La Ciotat

Bis auf etwas thermischen Wind am Nachmittag war es heute windstill. Wegen Windmangel haben wir einen weiteren Tag in La Ciotat mit Spaziergängen und Sonnenbad verbracht. Durch den Mistral der vergangenen Wochen hat sich das Meer auf 20 Grad Celsius abgekühlt. In unserer persönlichen Definition ist Wasser unter 25 Grad Celsius nicht badetauglich. La Ciotat ist eine kleine Industriestadt. Wenn man sich von den vorgelagerten Werft- und Industrieanlagen nicht abschrecken lässt, eröffnet sich eine schöne und lebendige Stadt. Mit ihren Sandstränden und der mit Palmen bepflanzten Uferstraße hat sie als erster Ort unserer Reise den Charakter eines Urlaubs- und Badeortes. Wobei sich der Touristenrummel sehr zurückhält. Unter diesen Voraussetzungen war die "wir bleiben noch einen Tag"-Entscheidung schnell getroffen.

Sonntag, der 22. September: Wir liegen die erste Nacht vor Anker

Blick über den Hafen von Porquerolles auf den "Plage d'Argent"

Wenngleich es heute noch weniger Wind als gestern gibt, wollen wir weiterfahren. Dann fahren wir eben unter Motor zu unserem Tagesziel Ile de Porquerolles. Bei 5 kn Marschfahrt werden wir am Nachmittag ankommen. Nach 6 Stunden fällt unser Anker um 15:30 in der Bucht vor dem "Plage d'Argent". Obwohl wir in der Nachsaison unterwegs sind, müssen wir etwas suchen, um eine halbwegs vertretbare Lücke zwischen den ankernden Yachten zu finden. Das hatten wir uns leerer erhofft. Obgleich noch viele Yachten die Bucht zum Abend verlassen, liegen wir mit 13 anderen Yachten über Nacht. Die Enge hindert uns nicht einen schönen Badetag in der Bucht zu verbringen. Mit dem Schlauchboot zum Strand fahren, am Abend im Cockpit grillen und mit einem Glas Wein die Sternbilder betrachten.

Montag, der 23. September: Wanderung auf der Ile de Porquerolles

Wanderung auf der Ile de Porquerolles

Für heute haben wir eine mehrstündige Insel-Wanderung geplant. Da sich am Vormittag die Bucht erneut beängstigend mit Yachten füllt, wollen wir unsere Bumble-Bee während der Wanderung nicht unbeaufsichtigt vor Anker liegen lassen. Zumal wir sehen wie wenig Kette einigen Yachten stecken. Die Besatzungen legen einfach den Anker und ein paar Meter Kette auf den Grund. Solange eine Ankerwache an Bord bleibt, mag das gut gehen. Weil zusätzlich ein strammer Wind von 4 Beaufort aus unterschiedlicher Richtung angekündigt wurde, verlegen wir unsere Yacht vorsichtshalber in den nahen Yachthafen. Die Ile de Porquerolles und die Iles du Frioul sind in der Luftlinie nur 80 km entfernt und doch eine vollständig andere Welt. Frioul hat bei Mistral als sehr wenig bewachsene Felsen eine sturmumtoste und faszinierende Rauheit. Porquerolles ist größtenteils mit mediterranen Wäldern bedeckt. Wir wählen für unsere Wanderung am Nachmittag den Weg zum östlichen Cap. Die lichtdurchfluteten Wälder sind bei Tagesausflügler beliebt und so ist auf den Wegen ein Wanderer und Radfahrer Getümmel wie auf der Kölner Fußgängerzone beim Fußball WM Endspiel. Erst wenn ab 17 Uhr die Besucher die Insel mit den Fährbooten verlassen, leeren sich die Wege.

 

Mittwoch, der 25. September: Klospülung mit Beleuchtung

Gestern haben wir den Hafen von Porquerolles verlassen und sind die zum Plage Notre-Dame gefahren. Wir genießen die Anker- und Badetage am Strand Notre-Dame. Zum Nachmittag erreicht die Luft noch 28 Grad Celsius im Schatten und die Wassertemperatur liegt bei 26 Grad Celsius. Unter unserer Bumble-Bee hat sich ein Schwarm von mehr als 50 Fischen eingefunden, überwiegend sind es Brandbrassen und einzelne Geißbrassen. Die Fische haben anscheinend gelernt, dass es bei den ankernden Yachten Schutz und Futter gibt. Auch wir sind keine Ausnahme und füttern unseren Fischschwarm mit Brotresten und einem übrig gebliebenen Teller Couscous. Unser Bordhund Charlie findet das nicht lustig, denn normalerweise stehen ihm die Brotreste zu. Dafür hat er sich schnell mit dem Bordleben am Ankerplatz angefreundet. Viermal am Tag rudern wir mit ihm zum Strand. Das Ein- und Aussteigen ins Schlauchboot geht auch immer besser. Gestern war ihm das schwankende Gefährt noch äußert unheimlich, heute springt er voller Vorfreude auf das Herumtollen am Strand schon ohne sanftes schubsen ins Schlauchboot. Für uns sind die Tage angefüllt mit neuen Eindrücken. Letzte Nacht hatte ich beim Spülen der Bordtoilette eine überraschende Beobachtung. Durch den ausgiebigen Genuss erfrischenden Bieres am Abend musste ich in der Nacht zur Toilette. Als ich im Dunkeln die Bordtoilette mit Meerwasser spülte, tanzten kleine blaugrün leuchtende Lichter im Wasser. Aus Meeresberichten, Fotos und Büchern wusste ich, dass es fluoreszierendes Plankton im Seewasser gibt. Von einem Berührungsreiz angeregt sendet es mehr oder weniger lang andauernde Lichtsignale aus. Das war aber nur theoretisch, jetzt mit jedem Pumpenhub tanzen kleine Lichtpunkte in unserer Bordtoilette. Abends im Cockpit können wir uns an dem Sternenhimmel kaum sattsehen. Der Große Wagen steht deutlich am Himmel und weist den Weg zum Polarstern. Die Milchstraße ist im Südwesthorizont beginnend quer über den gesamten Himmel zu erkennen. Das sanfte schwanken unserer Bumble-Bee in der leichten Dünung bereitet uns überhaupt keine Probleme und wir empfinden es als ausgesprochen angenehm. Auch haben wir eine gute Portion Vertrauen in unseren neuen Anker aufgebaut. Die Nächte sind derzeit fast windstill und ab 10 Uhr am Vormittag stellt sich West- bis Südwestwind ein. Zum späten Nachmittag erreicht er mit Böen von 4 bis 5 Beaufort seine maximale Stärke, um nach Sonnenuntergang wieder vollständig einzuschlafen. Mit der Anker-App "iAnchor" habe ich die Bewegungen unserer Bumble-Bee einen Tag lang verfolgt. Ob Windstille oder harte Böen, unsere Bumble-Bee steht in einem schmalen Kuchenelement des Ankerkreises.

Donnerstag, der 26. September: Rauschefahrt nach Bormes les Mimosas

Entsprechend unserer Winderfahrungen der vergangenen Tage sind wir erst nach einsetzen des Westwindes am späten Vormittag gestartet. Zum Lohn wurden wir von einem strammen Rückenwind ostwärts nach Bormes les Mimosas geschoben. Auf den letzten 6 Seemeilen erreichte der Westwind seine volle Stärke und wir sind bei halbem Wind mit maximaler Geschwindigkeit gefahren. So macht das Segeln höchsten Spaß. Hingegen sind wir von Bormes les Mimosas arg enttäuscht. Der Hafen ist groß und hat moderne und saubere Duschen, aber das war es auch schon. Wir haben den Ort angesteuert, weil wir auf dem Campingplatz "Camp du Domaine" vor Jahren viele glückliche Urlaubstage verbracht hatten. Aber Sommerurlaub mit Zelt oder Wohnmobil und Reisen mit dem Boot sind zweierlei. Wir wollten unsere Vorräte an Wein, Käse, Wurst, Fleisch, Obst und Gemüse auffüllen. Die wenigen Lebensmittelgeschäfte in Hafennähe erinnern mit ihren halb leeren Regalen an vergangene Ostblock-Zeiten. Jetzt in der Nachsaison werden die Regale nicht mehr aufgefüllt. Die Touristenläden sehen nach der Sommersaison geplündert aus, und die übrig gebliebenen Saisonartikel werden lieblos und mit hohen Nachlässen angeboten. Bis Lavandou mussten wir laufen, um unsere Einkäufe zu erledigen. Als sichtbares Zeichen unserer Enttäuschung hatten wir nicht das Verlangen ein Erinnerungsfoto zu machen.

Freitag, der 27. September: Welchem Wetterbericht können wir Vertrauen schenken?

Beim Check der Wind- und Wettervorhersagen widersprechen sich heute die Prognosen. Die Wetter-App "YachtWeather", der Seewetterbericht des DWD (Deutscher Wetterdienst) und Météo France verkünden Wind aus West bis Südwest zwischen 2 und 4 Beaufort, also schlapper bis brauchbarer Segelwind. Nur der Hafenmeister von Bormes les Mimosas hat eine Prognose von "Météo Consult Marine" im Aushang, der für den Nachmittag von 4 auf 7 Beaufort zunehmenden Westwind vorhersagt und vor Böen bis 9 Beaufort warnt. Weiterhin sagen alle Wetterberichte für Samstag Dauerregen bei 6 Beaufort Wind sowie für Sonntag Gewitter vorher. Der Name "Meteo Consult Marine" und die Aufmachung des Berichtes machen einen unheimlich kompetenten Eindruck. Mit Hafenhandbuch, Revierführer und Seekarten haben wir eine Stunde lang geplant und abgewogen, wie wir die Reise fortsetzen. Auf der einen Seite wollen wir langsam zurück nach Port-Saint-Louis fahren. Zu Hause hat sich ein schwelender Streit mit einem Handwerker verschärft und wir wollen uns auf eine kurzfristige Heimreise vorbereiten. Somit war eine Fortsetzung in östliche Richtung bis Port Grimaut schnell aus der Planung. Eine Fahrt nach Westen bis Toulon bei 7 Beaufort und Böen von 9 Beaufort ist auch kein Vergnügen, wenn man gegen Wind und Wellen kreuzen muss.

Liegeplatz im Hafen von Porquerolles

Letztendlich haben wir uns für die Fahrt zurück in den Hafen von Porquerolles entschieden. Das ist nicht so weit wie Toulon. Bei einer Fahrtzeit von 3 Stunden gegen den Wind können wir vor dem Starkwind ankommen. Wenn es am Samstag regnet und am Sonntag Gewitter gibt, liegen wir in Porquerolles sicher und können die Zeit bis zur Wetterbesserung mit Wanderungen verbringen. Jetzt am Abend wissen wir, welcher Wetterbericht die richtige Prognose hatte. Nach der Abfahrt war es sogar die erste Stunde windstill, bevor leichter Südwestwind einsetzte. Der Wind war gerade ausreichend um mit 3-5 Knoten Fahrt gegen den Wind zu kreuzen. Im Hafen war der Nachmittag bei leichtem Wind sonnig und jetzt am Abend ist es erneut windstill. Da hat "Météo Consult Marine" voll daneben gelegen und es steht 1:0 zugunsten des DWD und Météo France.

Samstag, der 28. September: Heute ist Waschtag

Südküste der Ile de Porquerolles

Auch wenn wir gestern getrost bis Toulon hätten fahren können, so ist es heute gut am Blasen. Der Windmesser schwankt zwischen 20 und 25 Knoten (ca. 5-6 Beaufort). Sogar im Windschatten von Porquerolles, denn der Wind hat am frühen Morgen auf Ost gedreht. Aus den benachbarten Buchten verkrümeln sich viele Ankerlieger in den Hafen und die Hafenmeister helfen mit dem Schlauchboot durch leichtes schubsen beim Anlegen. Uns kommt der windige und bedeckte Tag recht gelegen. So meldet die Box für Schmutzwäsche Überfüllung und die Wäschefächer gähnende Leere, zur Abhilfe nutzen wir den Vormittag als Waschtag. Am Nachmittag führt uns die heutige Wanderung zu der Südküste. Der Weg führt durch Wälder und einer sanften Mulde in der Wein, Oliven und Feigen angebaut werden. Im Gegensatz zu der Nordküste mit seinen Ankerbuchten ist die Südküste steil und felsig. Der im gestrigen Wetterbericht angedrohte Dauerregen ist ausgeblieben, dafür soll es in der Nacht ordentlich schütten. Schauen wir mal, wenn in der Nacht die Salzkruste vom Boot abgewaschen wird und es morgen wieder sonnig ist, wollen wir nicht jammern.

 

Sonntag, der 29. September: 13 Uhr, Boot ist gesichert.

Wir müssen noch an unserer Lesegeduld beim französischen Wetterbericht arbeiten, denn wir haben den Satz "TEMPS : pluie et orages" (Regen und Gewitter) einfach übersehen. Kurz vor Sonnenaufgang hat der seit gestern anhaltende Wind nachgelassen und wir konnten die letzten zwei Stunden ohne schaukeln, klappern, heulen und pfeifen schlafen. Zur Frühstückszeit war es sonnig und warm und wir haben wie die Besatzungen der Nachbaryachten im Cockpit gefrühstückt. Im ersten Teil des Wetterberichtes meldet Meteo france Wind mit 2-4 Beaufort aus Nordost bis Ost. Dieser Wind passt gut zu unserem Ziel Saint-Mandrier-sur-Mer. Den weiteren Seewetterbericht haben wir nicht mehr verinnerlicht und haben beim allgemeinen morgendlichem Aufbruch auch abgelegt. Zehn Minuten später waren die Segel gesetzt und mit gutem Segelwind ging es unserem Ziel entgegen. Nach einer Stunde wurden wir abrupt von ersten Regentropfen aus unserem Frieden geweckt. Hinter und vor uns war der Himmel schwarz und wir vernahmen aus beiden Richtungen fernes Donnern. Der Wind nahm zu und wir rauschten mit Rückenwind und 6-8 kn Fahrt unserem Ziel entgegen. Zum Glück hatten wir erst vor einigen Wochen in der Zeitschrift "Yacht" einen Artikel zum Verhalten bei Gewitter gelesen und die für uns angepassten Maßnahmen abgesprochen. Fünf Seemeilen vor dem Ziel war es so weit und wir haben uns auf das vorausliegende Gewitter über Toulon vorbereitet. Motor starten, Offshore Montur anziehen, bewegliche elektronische Geräte (Kamera, Handy, Wifi Modem, iPad,....) in den Backofen legen und alle Luken und Seeventile schließen. Sollte nun der Blitz in unmittelbarer Nähe einschlagen und die Startelektrik des Motors sowie die gesamte Bordelektronik wird zerstört, dann wäre das nur ärgerlich. Mit laufender Maschine sind wir nicht manövrierunfähig und die Reserve-Navigationssoftware auf dem iPad ist im Backofen als faradayscher Käfig bestens geschützt. Der Regen wurde stärker und die Berge voraus verschwanden in Regengrau. Bis eine Seemeile vorm Ziel hofften wir nur nass zu werden, als urplötzlich eine Böenwalze voraus auftauchte. Uns blieb gerade noch Zeit die Segel zu bergen, bevor der Wind um 180 Grad drehte und direkt von vorne kam. Von Blitzen umhüllt und von den Gewitterböen schwer geschaukelt erreichten wir beim Regenmaximum den Hafen. Trotz des Starkregens wartete der Hafenmeister bereits an der Mole und reichte uns die Muringleine an. Fünf Minuten spät konnten wir für das Logbuch die erlösende Nachricht: "13:00 Uhr, Boot gesichert, alle wohlbehalten unter Deck" festhalten. Eine Stunde hernach hat sich das Gewitter verzogen und es wurde wieder wolkenlos mit einer leichten Brise aus Ost. Zum Ausklang des Tages hat uns am Abend die Stadt Toulon mit einem grandiosen Feuerwerk erfreut und unser Liegeplatz wurde zum besten Logenplatz.

Montag, der 30. September: Geburtstag in Saint-Mandrier-sur-Mer

Die Krusenstern verlässt den Hafen von Toulon

 Am Morgen werden wir von vielen lauten Stimmen geweckt. Auf der Mole, den Stränden und am Ufer haben sich Menschengruppen eingefunden und schauen nach Toulon. Heute ist doch Montag, ein normaler Arbeitstag und wieso ist die Bucht von Toulon voller kleiner Boote? Wir können nichts Besonderes ausmachen und frühstücken erst einmal in aller Ruhe. Um 10 Uhr wird die Menschenansammlung auf der Mole größer und lauter und wir schauen erneut nach Toulon. Nun sehen wir die Erklärung für die vielen Besucher und für das Feuerwerk vom Vorabend. Hintereinander fahrend verlassen mehrere historische Großsegler den Hafen von Toulon. Es ist die Festlichkeit: "Toulon - Voiles de Légende 2013". Es war auch kaum vorstellbar, dass das Feuerwerk zu Ehren meines runden Geburtstags veranstaltet wurde, den ich heute in Saint-Mandrier-sur-Mer verbringe.

 

Dienstag, der 1. Oktober: French marine for Bumble-Bee!

Heute wollen wir zu den Calanques fahren, das sind auf direktem Weg 27 Seemeilen. Wenn wir gegen den Wind kreuzen müssen, wird die Strecke noch länger. Am Anfang der Fahrt ist der Wind sehr schwach und wir lassen uns vom Diesel schieben. Der Diesel brummt monoton vor sich hin, die Sonne scheint und die Wellen sind flach. Kurzum wir tuckern gemächlich den vom Seekartenplotter berechneten Weg entlang. Am Cap Cepet beobachten wir viele sich drehende Radarantennen und machen unsere Witze dazu: "Die französische Marine spielt heute Badewannenkrieg. Mit all den Radarantennen können die nicht nur unsere Position haargenau bestimmen sondern auch noch sehen, ob unser Bordhund Flöhe hat". Als wir gerade in Richtung der Antennen riefen: "Charlie hat keine Flöhe ihr könnt abschalten", beendet ein Motorboot abrupt unsere Blödelei. Es kommt auf uns zugeschossen und stoppt in 5 Meter Abstand. Es ist die französische Marine die uns auffordert sofort den Funkkanal 6 einzuschalten und auf weitere Anweisungen zu warten. So schnell, wie das Motorboot gekommen war, war es auch wieder davon gebraust. Wir konnten gerade noch sagen: "hä - was war und soll denn das" bevor wir über Funk angesprochen werden: "French marine for Bumble-Bee" ertönte es. Wir werden ohne weitere Erklärung aufgefordert umgehend den Kurs 310 Grad zu steuern. Der militärisch kurzen Anweisung folgend steuern wir direkt auf den Strand der Anse des Sablettes zu. Als der Stand immer näher kommt und wir schon sorgenvoll im BLOC MARINE festgestellt hatten, dass es für uns keinen passenden Hafen gibt, erhalten wir über Funk die Anweisung umgehend 250 Grad zu steuern. Ich bestätige den neuen Kurs und fahre nun parallel zum Strand. Kurz vorm Ende der Bucht gibt es die dritte Kursanweisung, durch eine enge Passage zwischen Steilküste und den vorgelagerten Felsen hindurch aufs Meer hinaus. Das Marine-Motorboot vom Anfang braust an uns vorbei und dessen Skipper meldet auf Kanal 6 in französisch, dass die Deutschen aus der "haben-wir-nicht-verstanden"-Zone sind. Voller Neugier verfolgen wir auf Kanal 6 wie weitere Boote aus der "haben-wir-nicht-verstanden"-Zone gelenkt werden. Kurz nach dem Marine-Spektakel legt der Wind kräftig zu und wir können unsere Segel für die nächsten 20 Seemeilen setzen.

 

Hinter Cassis beenden wir die Tagesetappe in der Calanque Port Miou. Die Calanques sind eine traumhaft schöne mediterrane Fjordlandschaft mit steilen Kalksteinfelsen und schmalen tiefen Buchten. Sie sind ein einmaliger Naturpark und von vielen Wanderwegen durchzogen. Für heute reicht unsere Zeit nur zu einem ersten kurzen Spaziergang.

 

Mittwoch, der 2. Oktober: kurzfristiger Aufbruch nach Port-Saint-Louis-du-Rhône

Zwischen Cassis und Marseille

Die Großwetterlage hat sich umgestellt und für die nächsten Tage prophezeit der Wetterbericht nichts Gutes. Heute soll es noch einmal den als "Marin" bezeichneten gemäßigten Seewind mit 3-4 Beaufort aus Südost mit 1 m hohen Wellen geben. Morgen und übermorgen soll es 6-7 Beaufort plus Böen und über 2 m hohe Wellen geben. Für Freitag ist Regen und für das Wochenende sind erneut Gewitter angekündigt. Um nicht bis Montag hier festzusitzen, verlassen wir die Calanques und brechen schweren Herzens zur letzten Etappe nach Port-Saint-Louis-du-Rhône auf. Aber wir wollen in den nächsten Jahren die Calanques erneut ansteuern und dann längere Wanderungen unternehmen. Um 11 Uhr setzt auch der Marin ein und wir können die Segel setzen. Auf der Höhe von Marseille steigert sich der Südostwind erheblich und wir schäumen mit 6-7 kn über die Wellen. Beim Überqueren des Golfe de Fos wird die Etappe anspruchsvoll. Auf der einen Seite legt der Wind weiter zu und wir bergen das Großsegel. Nur mit dem Vorsegel queren wir mit unveränderter Geschwindigkeit das Fahrwasser zu den Seehafenanlagen. Der Bildschirm unseres Seekartenplotters ist gefüllt mit den AIS-Signalen der großen Frachtschiffe und es ist kaum zu erkennen, welcher der dicken Pötte fährt und wer vor Anker liegt. Den fahrenden Frachtern mit respektvollem Abstand ausweichend schlängeln wir uns, bei mittlerweile 1-2m hohen Wellen, um die ankernden Schiffe. Drei Seemeilen weiter endet die Tagesetappe im Stadthafen von Port-Saint-Louis-du-Rhône.

Freitag, der 4. Oktober: Heute geht es zurück auf unseren Landliegeplatz

Wir haben uns angewöhnt bei längerer Abwesenheit die Rollgenua und das Rollgroßsegel, locker gefaltet in den Segelsäcken unter Deck zu lagern. Da seit unserer Ankunft in Port-Saint-Louis-du-Rhône das Wetter so schlecht wie vorhergesagt war, konnten wir die Segel bisher noch nicht abschlagen. Bei starkem Wind können wir die wild um sich schlagenden Segel nicht halten. Als heute in den frühen Morgenstunden der Wind schwächer wurde, nutzten wir die letzte Gelegenheit. Ohne zu trödeln, sind wir aus dem Bett gesprungen um die Segel noch vor dem Frühstück von den Rollanlagen zu bergen. Eine Stunde später lagen die Segel trocken und gefaltet in der Achterkammer. Nun erst einmal in aller Ruhe frühstücken, den Hafen bezahlen und wir können die letzte Fahrt in diesem Jahr zum vereinbarten Krantermin beim Navy Service antreten. So schnell und professionell wie unsere Bumble-Bee vier Wochen zuvor ins Wasser gehoben wurde, wird sie heute auf unserem Landliegeplatz abgestellt. Für uns ist der Nachmittag mit auf- und ausräumen ausgefüllt. Morgen wollen wir in aller Frühe mit unserem Auto nach Hause fahren. Kurz bevor wir am späten Abend müde zu Bett gehen, setzte das seit Tagen angekündigte Gewitter ein, zuerst mit wenigen Regentropfen und Wetterleuchten zog es von Westen kommend über uns hinweg. Als das Gewitter genau über uns liegt und es im Minutentakt hell blitzte und ohrenbetäubend donnert, gibt es für unseren Bordhund kein Halten mehr. Alle Verbote ignorierend verkroch er sich zitternd und ganz klein in die hinterste Ecke unseres Bettes.

Epilog

Zusammenfassend sind wir nach der ersten Reise auf dem Mittelmeer sehr positive angetan. Viele Erwartungen wurden übertroffen. Andere Punkte, die wir vor der Reise mit Respekt betrachtet hatten, waren vor Ort doch nicht so schwierig wie zuvor gedacht. So war beispielsweise der französische Wetterbericht recht schnell zu verstehen. Auch die Liegegelder in den Häfen empfanden wir nicht so hoch, wie uns im Frühjahr erzählt wurde. Bei der Überführung von Ijsselmeer zum Mittelmeer trafen wir vom Mittelmeer kommende Bootsbesatzungen, die ihre Überführung in den Norden mit den unbezahlbar hohen Hafengebühren begründeten. Eine Wertung der Gebühren ist immer sehr subjektiv. Was für Einige ein unverschämter Wucher ist, ist für Andere ein Schnäppchen. Wenn aber bei Gewitter mit Starkregen und Gewitterböen der Hafenmeister an der Mole steht, die Heckleinen annimmt und sofort darauf die Muringleine anreicht, dann erleichtert und verkürzt diese Hilfe das Anlegemanöver sehr. In unserer Wertung ist dieser Service das Liegegeld allemal wert. Sobald es beim Anlegen etwas schwieriger wurde, haben wir gesehen wie die Hafenmeister helfend zur Seite standen. Diesen Service kennen wir vom Ijsselmeer nicht. Wenn dort von den Nachbarbesatzungen keiner hilft, muss eben jeder selber sehen wie er klarkommt. Damit sich jeder Leser selber ein Bild machen kann, haben wir eine Liste der Liegegelder für unsere 10,45 m lange und 3,60 m breite Yacht im September/Oktober 2013 zusammengestellt:

 

  • Port de Bormes 36,54 €
  • Port de Carro 16,50 €
  • Port de Saint-Mandrier 29,94 €
  • Port de Porquerolles 33,10 €
  • Port la Ciotat 35,49 €
  • Port Miou 20,00 €
  • Port-Saint-Louis-du-Rhone 22,00 €

 

Wir wären auch noch gerne länger geblieben, aber ein alter Streit mit einem Handwerker wurde vom Handwerker neuerlich verschärft und bewog uns zur vorzeitigen Heimreise. Getreu dem Spruch "nach der Reise ist auch vor der Reise" freuen wir uns heute schon auf die Reisen im nächsten Jahr.

 

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© Christine und Rainer Klotz